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Kammerspiele: "Zeit der Zaertlichkeit" in Deutscher Erstaufführung

Töchter machen es Müttern nie recht

Ein Erfolgsfilm ergibt nicht unbedingt ein gutes Theaterstück. Christian Nickels Rettungsversuch glückte nur halb.

Von Klaus Witzeling

Die Umarmung trügt. "Ungesundes Essen, schlampiges Aussehen." Die elegante Aurora hat an Emma immer etwas auszusetzen: Daniela Ziegler (r.) und Joanna Kitzl im engen Mutter-Tochter-Clinch von Dan Gordons "Zeit der Zaertlichkeit".

Die Umarmung trügt. "Ungesundes Essen, schlampiges Aussehen." Die elegante Aurora hat an Emma immer etwas auszusetzen: Daniela Ziegler (r.) und Joanna Kitzl im engen Mutter-Tochter-Clinch von Dan Gordons "Zeit der Zaertlichkeit". Foto: ROBERT LECHTENBRINK/plotpoint

Hamburg -

Alles geht, alles kann passieren: Mutter Aurora und Tochter Emma, ein Leben lang über Kreuz, finden am Krankenbett doch zueinander. Mag der Nachbar in Auroras Augen ein Ekel und Schürzenjäger sein, hindert das die Witwe nicht daran, sich in ihn zu verknallen. Cole Porters "Anything Goes", gesungen von einem Jüngling im Hippie-Look, schlägt das Hauptmotiv für den Lebensbilderbogen über Emma an, der sich vom Baby- bis zum Sterbebett spannt. Ihr toter Vater Rudyard (David Allers) begleitet Frau und Kind durch das Stück. Zugleich eine androgyne Figur zwischen Schutzengel und Thanatos.

Regisseur Christian Nickel schafft mit seiner Idee des melancholischen Barden und "Erzählers" eine Verbindung für die Szenenschnipsel. Denn Dan Gordons Bühnenfassung nach dem Drehbuch zu "Zeit der Zaertlichkeit" bleibt eine Abfolge von Schlaglichtern und Telefonaten, die den Schauspielern kaum ermöglichen, Entwicklungen der Figuren auszuloten.

Man sollte besser den mit fünf Oscars ausgezeichneten Film von James L. Brooks mit Shirley MacLaine, Debra Winger und Jack Nicholson in den Hauptrollen vergessen. Die Herz-Schmerz-Story über eine konfliktreiche und vielleicht gerade darum enge Beziehung zwischen Mutter und Tochter funktioniert auf der Leinwand anders als auf Maren Christensens gestaffelten Podien, die unkompliziert Orts- und Zeitsprünge ermöglichen.

"Koseworte" ("Terms of Endearment") lautet der wohl ironisch gemeinte Originaltitel von Larry McMurtrys Romanvorlage zum 1983 gedrehten Film. Liebe und Zaertlichkeit ist zwischen den beiden von Joanna Kitzl und Daniela Ziegler gespielten Frauen anfangs nicht zu spüren. Welten liegen zwischen ihnen. Die mausgraue, schlampige Tochter kann der eleganten, geizigen und egomanen Aurora nichts recht machen. Diese hasst auch Emmas Mann, empört sich nur, als sie Großmutter wird. Das ist komisch, auch mal witzig. Doch im zweiten Teil kippt das frivole Boulevard-Geplänkel ins Melodram. Emma erkrankt an Krebs.

Daniela Ziegler erhält nun die Chance, Auroras exzentrische Allüren zu zügeln, auf schlichtere Garderobe und flache Slipper umzusteigen und am Krankenbett ein paar innigere Töne anzuschlagen. Auch die von ihr provozierte Affäre mit dem ehemaligen Astronauten Garrett (ein Charmebolzen von brutaler Direktheit: Hans-Jörg Frey) stimmt sie nachgiebiger. Der unscheinbaren Tochter gibt Joanna Kitzl Profil. Sie spielt Emma zwischen maulendem Gör und dickköpfiger junger Frau, die bereit ist, den Preis für die sie enttäuschende Ehe zu zahlen. Kitzl gelingt es, der Rührseligkeit der Schlussszene mit dem Brief an die Kinder zu entgehen. Und auch Auroras letztes Telefonat mit der Tochter macht Ziegler, nun im schnittigen Trauerkostüm, zur Pointe: Aus Gewohnheit hat sie die Nummer gewählt, berichtet nun dem Anrufbeantworter von Emmas Beerdigung. Zuerst unterhielt sich das Publikum köstlich, dann schniefte es lautstark. Was kann eine reißerische Kino-Schmonzette denn Besseres bieten?

"Zeit der Zaertlichkeit" bis 11. April, Hamburger Kammerspiele, Karten: 0800-41 33 440.

erschienen am 4. März 2009

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