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Musik und Literatur
RheinVokal bringt Festung zum Klingen
Koblenz - Passender oder
gezielt unpassender - hätte es kaum kommen können: ein Abend mit
französischer Musik und Literatur an einem urpreußischen Ort, in der
Festung Ehrenbreitstein.
Ein Abend gar noch mit Musik und Literatur vor allem
der "Belle Epoque", jener Zeit, in der ab 1871 nach der
Niederlage gegen Preußen und dem Ende des zweiten
Kaiserreichs in Frankreich Kunst und Kultur
florierten.
RheinVokal bringt die Festung zum
versöhnlichen Klingen, mit Gesang, Kammer- und
Klaviermusik, zumindest teilweise eng mit der
konfliktreichen Vergangenheit beider Länder
verknüpft. Wie "Les Prières", die "Gebete" für Sopran, Harfe und
Streichquartett André Caplets, eines der großen
musikalischen Talente zu Ravels Zeiten, dessen
kometenhafte Karriere der Erste Weltkrieg abrupt
unterbrach. Noch an der Front vollendete Caplet sein
musikalisches Triptychon über Vaterunser, Ave
Maria und Credo, Intimes, Verinnerlichtes kontra Chaos.
Die gefragte Sopranistin Julie Kaufmann setzt
diese Intimität und Innigkeit nahezu perfekt um,
verzichtet, auch im illustrativeren Credo, auf jede
Überspitzung, fügt sich schlicht ein in das ätherisch reine
Umfeld, das ihr die Harfe (Renie Yamahata) und das
Streichquartett, das Ensemble Villa Musica (Eszter Haffner
und Erika Geldsetzer, Violine; Jean-Eric
Soucy, Viola und Martin Ostertag, Violoncello),
bereiten.
Ebenso überzeugend fällt das aus zwei
extrem langsamen Sätzen bestehende Streichquartett Nr.
3 op. 32 aus, das Darius Milhaud 1915 für seinen im deutschen
Maschinengewehrfeuer gefallenen Freund, den Dichter
Léo Latil, komponierte und dessen zweiten Satz er mit seinem
naturpoetisch-todessehnsüchtigen
"Rossignol", "Nachtigall" kombiniert. Musik, die dank der
intensiven und doch zurückhaltenden
Interpretation beispielhaft das überträgt, was Milhaud
über den Freund schrieb, "... jene große Süßigkeit, jenen großen Glauben,
der die Tränen rein wäscht, obwohl er aus dem Grunde eines düsteren
Herzens entsprungen ist".
Solch Elegischem entgegen stellt sich das alle
Theorie über den Haufen werfende, fast durchgängig
sprunghaft-kapriziöse, jazzige
Klarinettenquintett des Jean Françaix, von Ulf
Rodenhäuser (virtuos: die lange Kadenz am Ende) und seinen
Mitspielern spielfreudig umgesetzt, wie Maurice
Ravels "Introduction et Allegro" für Harfe, Flöte (Kersten
McCall), Klarinette und Streichquartett, mit ständig neuen
Gelegenheiten für reizvolle Dialoge.
Dialoge, wie sie sich, assistiert und
moderiert von Thomas Koch, in der Kelterhalle zwischen
Klavier und Stimme, zwischen der südafrikanischen
Pianisten Erika Le Roux und der Schauspielerin Daniela
Ziegler entfalten. Inspirierend ist schon die Auswahl
der Texte und Stücke, von Arthur Rimbauds süßen Juni-Nächten über
Maupassants "Bel Ami" Georges Duroy, der sich im Damenkränzchen erste
gesellschaftliche Sporen verdient, über Prousts aus einem
teegetränkten Häppchen Madeleine reichlich keimende
Erinnerungen bis zu Leblancs Gentleman-Ganoven Arsene Lupin.
Die Ziegler macht aus jedem Text ein kleines
Meisterwerk, ähnlich, wie es Erika Le Roux mit Claude
Debussys synkopenträchtiger Groteske über den "Général
Levine" tut. Exzentrischer noch als die fernöstlich-chromatisch eingefärbte "Terrasse aux audiences
du clair de lune". Le Roux" pianistische Leichtigkeit
kompensiert auch bei den Traditionelles
originell und raffiniert variierenden Tanzsätzen aus
Ravels "Le tombeau de Couperin" selbst die akustisch nicht
optimalen Gegebenheiten. (Lieselotte Sauer-Kaulbach)
RZO
http://rhein-zeitung.de/on/08/07/14/magazin/szeneregional/t/rzo448275.html
vom 14.07.2008 © Rhein-Zeitung · 56055 Koblenz |
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