Erinnerungsspiel ***
Meisterklasse
Renaissance Theater

Der hohe Raum ist kahl, eine Probebühne. Ein Flügel und der erhöhte Stuhl. Dort wird sie sitzen. Sie kommt in Pelz und mit Sonnenbrille. Das Idol. Die Diva. Die alte, weltberühmte Callas gibt eine Unterrichtsstunde. Sie bildet ihre Meisterklasse aus und spielt doch eigentlich nur sich selbst. Kunst wird zum diktatorisch komischen und zugleich beklemmenden Dinner-Akt. Jeden Versuch er verzweifelten Eleven, die Arie vorzutragen, unterbricht sie. Daniela Zieglers Callas könnte auch aus einem Stück von Thomas Bernhard sein, und dabei ist alles doch so boulevardesk leicht. Jede Geste sitzt in dem makaberen Rollenspiel, und plötzlich fällt die exzentrische, gealterte, herrische Frau in Tagträume, in die Erinnerung an die Triumphe ion der Scala. Selten sieht der Zuschauer eine so präsente, perfekte Schauspielerin. Sie ironisiert die Ikone, die sie spielt, und versinnlicht gleichermaßen die Sucht, die Erfolg und Kunst heißt. Das Spiel der Ziegler ist so intensiv, dass auch die Abwesenden, wie Onassis oder Visconti, im Erinnerungsspiel präsent sind. Der Triumph einer brillant charismatischen Schauspielerin.
(Zitty 23.12.2004)